„Vom Urknall bis zu der Frage nach Leben im All“
Besucherrekord beim Hochschultag mit dem Astrophysiker Prof. Dr. Andreas Burkert
Die Rödermarker zieht es zu den Sternen! Mehr als 600 Besucher waren der Einladung der Nell-Breuning-Schule und der Stadt Rödermark zum 24. Hochschultag am 22.10.2018 gefolgt.
Die Europa-Songgruppe unter der Leitung von Dr. Hanne Grünsteudel eröffnete den langen Abend mit zwei eigenen Wissenschaftssongs: „Universal Train“ und „Wissenschafts-Rock'n'Roll“.
Nach den Grußworten von Schulleiterin Christine Döbert und Bürgermeister Roland Kern sowie einer Einleitung von Dr. Dietmar Herdt (FB Physik) führte Prof. Burkert das Publikum auf einer spannenden Raum-Zeit-Reise in die Weiten des Alls hinaus und zurück bis zum Ursprung des Universums. Dabei präsentierte der Astrophysiker faszinierende Bilder aus erster Hand.
Nach dem Standardmodell der Kosmologie gilt der Urknall vor ca. 13,8 Milliarden Jahren als Geburtsakt unseres Universums. Aus den anfänglich noch sehr einfachen Bausteinen sind in Milliarden von Jahren Galaxien mit Generationen von Sternen und Planetensystemen entstanden. In den Sternen wurden neue und schwerere Elemente erbrütet und von ausgebrannten Sternen, die am Ende ihrer Lebenszeit als Supernovae explodierten, stammt der Rest des Periodensystems. Damit ist alles in und um uns herum Sternenstaub.
Das Universum ist ein gigantisches physikalisches und chemisches Laboratorium. Aber auch die Biologen sind gefragt: Zumindest auf unserem Planeten sind vor mehr als drei Milliarden Jahren die ersten molekularen Bausteine des Lebens entstanden, die über den langen Weg der Evolution bis zum Homo sapiens führten.
Prof. Burkert ist Leiter des Lehrstuhls für Theoretische und Numerische Astrophysik an der LMU München. Sein Spezialgebiet sind Computersimulationen, deren Berechnungsgrundlage mathematische Modelle für die Entstehung und Entwicklung von Sternen und Galaxien im Cosmic Web sind. Dabei werden die hochkomplexen Vorgänge, die im Universum Millionen bzw. Milliarden von Jahren dauerten, mit Hilfe von Großrechnern im extremen Zeitraffer simuliert.
Als Sprecher des 2018 neu gegründeten Excellenzclusters „Origins“, einem in der Welt einmaligen Forschungsverbund von Teilchenphysikern, Astrophysikern sowie Biophysikern und Biochemikern, berichtete Prof. Burkert über die gemeinsame Suche nach der großen Erzählung, einem Narrativ für die Geschichte unseres Universums als Storyline vom Urknall bis zu den ersten Bausteinen des Lebens. Vielleicht gelingt es der interdisziplinären Forschungsgruppe sogar erstmals experimentell, im Reagenzglas eine Art Ursuppe für das Leben herzustellen – mit Kettenmolekülen, die in der Lage sind, sich zu vervielfältigen und dabei biologische (genetische) Informationen an ihre Tochtermoleküle weitergeben. Der Nobelpreis lässt grüßen...
Im gesamten Universum gibt es ca. 100 Milliarden Galaxien – unsere Milchstraße ist nur eine davon - mit jeweils ca. 100 Milliarden Sternen und ähnlich vielen Planetensystemen, darunter lebensfreundliche Planeten, die wie die Erde in einer „habitablen Zone“ ihren Zentralstern umlaufen. Es ist wohl davon auszugehen, dass molekulare Vorstufen des Lebens auch auf Millionen, wenn nicht Milliarden von anderen habitablen Planeten entstanden sind – womöglich mit einer sich anschließenden Evolution. Damit stellt sich die Frage nach extraterrestrischem Leben. Gestützt auf die Gesetze der Wahrscheinlichkeitsrechnung kommt Prof. Burkert zu der begründeten Einschätzung, dass es in unserem Kosmos von Leben nur so wimmeln muss. Allerdings gleicht die Ausschau nach intelligentem Leben auf exosolaren Planeten wegen der riesigen Entfernungen und den langen Laufzeiten von Funksignalen der Suche nach einer Nadel in einem gigantischen Heuhaufen.
Zu einem möglichen Exodus der Menschheit auf eine zweite Erde hat Prof. Burkert eine klare Haltung: Dafür sind wir Menschen nicht gemacht! Bereits der nächstgelegene Exoplanet „Alpha Centauri b“, der dafür möglicherweise in Frage käme, ist mit 4,24 Lichtjahren so weit von der Erde entfernt, dass ein Raumschiff über einen Zeitraum von mehreren hundert Generationen unterwegs wäre. Unser Platz im Universum ist und bleibt die Erde und unser Schicksal hängt an der Erhaltung der terrestrischen Lebensbedingungen, die durch unsere moderne Lebens- und Wirtschaftsweise hochgradig gefährdet sind. Aus astrophysikalischer Sicht wäre eine lebensfreundliche Erdatmosphäre noch mehrere hundert Millionen Jahre garantiert. Doch wir alle sind Konsumenten, die Treibhaus-Emissionen verursachen. Und wir sind dabei, diesen großen zeitlichen Spielraum auf eine Galgenfrist von nur wenigen Jahrzehnten zu reduzieren. Damit weist der weite Rundblick ins All zurück auf die Eigenverantwortung der Menschheit insgesamt und jedes einzelnen Menschen für unseren Heimatplaneten Erde.
Das große Weltall ist faszinierend und wunderschön - zumindest der leuchtende Teil, den wir bisher sehen können. Diese so genannte baryonische Materie macht allerdings nur knapp 5% des Universums aus. Die restlichen 95% entfallen auf die rätselhafte Dunkle Materie und die Dunkle Energie, über deren Beschaffenheit bislang nur spekuliert werden kann. Beide gehören auch zu den Forschungsschwerpunkten der Numerischen Astrophysik. Hier bietet sich ein hochspannendes Thema für einen weiteren Hochschultag mit Prof. Burkert an, der sich nach seinen drei erfolgreichen Gastspielen in Rödermark schon fast heimisch fühlt.
Dr. Dietmar Herdt, Dr. Hanne Grünsteudel - Fachbereich Physik