Nell-Breuning-Symposium

5. Rödermärker Hochschultag der NBS

am 27. November 2006 in der Kulturhalle Ober-Roden

Thema
„Reise zum Urknall - Warum die Physiker überzeugt sind, dass die Welt einen Anfang hatte“
Referent
Prof. Dr. Fritz Bosch
Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI), Darmstadt
Professor Dr. Fritz Bosch

Pressebericht von Herrn Dr. Herdt

Die Veranstalter hatten in ihrem Einladungsschreiben eine allgemein verständliche Einführung in die neuesten spannenden Entwicklungen der Kosmologie angekündigt. Neben Schülern und Lehrern folgten auch erfreulich viele interessierte Bürger der Einladung und füllten die Kulturhalle in Ober-Roden.

Zum Auftakt der Veranstaltung präsentierte das Profil Naturphilosophie ein neues Musikvideo zu dem selbst geschriebenen Titel „Einstein goes NBS“, der von den beiden Sängerinnen Alisa Rebmann und Emily Sudmeier live vorgetragen wurde.

Nach einleitenden Worten von Schulleiter Jochen Zeller und Physiklehrer Dietmar Herdt zum Konzept der Rödermärker Hochschultage, führte der Darmstädter Astro-Teilchenphysiker Prof. Dr. Bosch das Publikum auf einer imaginären kosmischen Reise zum Urknall — bis an die Grenzen der vierdimensionalen Raumzeit, jenseits aller menschlichen Vorstellungskraft.

Ausgehend von der scheinbar trivialen Frage „Warum ist es nachts dunkel?“, erläuterte Prof. Bosch, dass unser Universum nicht unbegrenzt in Raum und Zeit sein könne, da sonst jeder Punkt des nächtlichen Himmels hell wie die Sonne erscheinen müsste. (Olbers’schen Paradoxon).

Mit einem wissenschaftshistorischen Abriss referierte Prof. Bosch die Entwicklung der Physik seit Beginn der Neuzeit mit Galilei, über Newtons Mechanik, bis hin zu Einsteins Relativitätstheorien und die moderne Quantenphysik, mit Blick auf die damit einhergehenden Fortschritte in der Astronomie bzw. Kosmologie.

Vor allem zwei entscheidende Ereignisse in der Geschichte der Astronomie führten zu der Erkenntnis, dass es einen Anfang unseres Universums gegeben haben muss.

Professor Dr. Fritz Bosch mit Schülerin

Zum einen belegt die Entdeckung der universellen kosmischen Rotverschiebung durch Edwin Hubble (1929), dass sich alle Galaxien von uns weg bewegen — und zwar umso schneller, je weiter sie von uns entfernt sind.

Zum andern stießen Arno Penzias und Robert Wilson im Jahre 1963 zufällig auf die kosmische Hintergrundstrahlung. Dabei handelt es sich um eine Art „Echo“ des Urknalls, dessen elektromagnetische Strahlung bis heute sehr stark abgekühlt ist. Die in der Intensitätsverteilung der Strahlung noch immer enthaltenen Informationen über die Dichte- und Temperaturschwankungen im frühen Universum geben wichtige Aufschlüsse über die nachfolgende Entstehung von Strukturen im Weltall.

Der diesjährige Nobelpreis für Physik geht an zwei US-amerikanische Kosmologen, die mit Hilfe von sehr genauen Satelliten-Messungen die „kosmische Hintergrundstrahlung“ untersucht haben.

Beide Entdeckungen — kosmische Rotverschiebung und Hintergrundstrahlung — führten im Verlauf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu dem heute weitgehend akzeptierten Bild der Physik vom Weltganzen, dessen entscheidendes Merkmal ist, dass unser Universum einen Anfang hatte.

interessierter Schüler

Nach heutiger Auffassung schlug die Geburtsstunde des Universums vor ca. 13,7 Milliarden Jahren. Mit einer gigantischen Explosion, dem so genannten Urknall (Big Bang), wurden aus einem Kern mit extrem hoher Dichte und Temperatur ungeheure Mengen von Strahlungsenergie und Elementarteilchen freigesetzt. Aus dieser „Ursuppe“ bildeten sich dann im Laufe der Zeit Sterne und Galaxien heraus, bis zur Entwicklung menschlichen Lebens auf der Erde, einem unscheinbaren Planeten, der in einem Spiralarm der Milchstraße seine Bahnen um eine relativ unbedeutende Sonne mittlerer Größe zieht.

Ähnlich der Milchstraße gibt es Milliarden von Galaxien, die jeweils Milliarden von Sternen (=Sonnen) enthalten — auf deren Planenten möglicherweise Leben entstanden ist. Es bedurfte mehrer Sternengenerationen, um alle heute bekannten Elemente des Periodensystems auszubrüten. Bis auf Wasserstoff und Helium besteht unsere Umgebung — wie wir — aus dem Staub verloschener Sterne.

Seit dem Urknall expandiert unser Universum, beschleunigt und in alle Richtungen — ein Ende ist nicht abzusehen.

In der Kosmologie werden die großräumigen Strukturen mit Hilfe von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie beschrieben. Zu einer vollständigen Theorie des Universums (salopp „Weltformel“ genannt) gehört jedoch auch die Einbeziehung der Quantenphysik. Dies ist bisher nur in Ansätzen gelungen („Quantengravitation“). Ein künftiger Durchbruch bei der Vereinigung beider großer Theorien des 20. Jahrhunderts könnte unser Weltbild nachhaltig verändern.

Die wiederholten Hinweise von Prof. Bosch, dass es keine „dummen Fragen“ zu dem Thema Kosmologie gäbe, ermutigten die Zuhörer zu einer regen Diskussion, die von Prof. Dr. Wolf moderiert wurde.

Eine Reihe von Fragen galten dem Urknall und seiner möglichen Erklärung. Ein kleiner Junge am Saalmikrofon brachte es auf den Punkt: „Was war denn vor dem Urknall?“ Prof. Bosch führte aus, dass nach seiner Ansicht die Physik den Urknall und den Zustand davor nicht weiter kausal ergründen könne, da die physikalischen Gesetze erst mit dem Urknall, also mit der Entstehung von Raum und Zeit ihre Gültigkeit erhielten.

interessierter Schüler

Anmerkung: In einem früheren Projekt haben sich die Schülerinnen und Schüler des Profils Naturphilosophie mit Stephen Hawkings spekulativem Konzept einer imaginären Zeit beschäftigt. Darin wird der Urknall als Beginn der reellen Zeit in einen noch größeren mathematisch-physikalischen Zusammenhang eingebunden, so dass die physikalischen Gesetze über den Urknall hinaus rückwirkend ihre universelle Gültigkeit behalten. Den Urknall deuten Kosmologen auch mit Hilfe einer so genannten „Quantenfluktuation“. Diese könnte aber immer wieder außerhalb unseres Universums stattfinden und so neue Universen aus dem „Nichts“ erzeugen. Danach wäre unser Universum möglicherweise nur eine Blase in einem kosmischen Schaum mit sehr vielen anderen Universen.

Es spricht für die Ernsthaftigkeit von Prof. Bosch, dass er sich an derartigen Spekulationen nicht beteiligen wollte. Dennoch zeigt die Geschichte der Physik, dass spekulative Ansätze, meist vorgetragen von jungen Wissenschaftlern, die der vorherrschenden Lehrmeinung eher respektlos begegneten, an entscheidenden Stellen der Entwicklung zu den notwendigen Paradigmenwechseln beigetragen haben.

Als wichtigste Eigenschaft des Kosmologen benannte Prof. Bosch die Demut vor dem, was die Physik letztlich alles nicht wissen könne. Das Verhältnis von Wissenschaft und Religion beschrieb er als komplementär. Allerdings müsse die Religion — wie auch die Philosophie — bestimmte Tatsachen aus der modernen Physik akzeptieren. Dabei blieben aber genug Spielräume für religiöse Überzeugungen.

Professor Dr. Fritz Bosch mit Schülern

Die Rödermärker Hochschultage sind eine Veranstaltungsreihe der Oswald-von-Nell-Breuning-Schule und der Stadt Rödermark. Mit ausgewählten wissenschaftlichen Themenkreisen soll der Dialog zwischen Hochschule, Schule und der interessierten Öffentlichkeit gefördert werden. Im Frühjahr 2007 wird Prof. Dr. Hanns Ruder, der bereits beim 4. Hochschultag mit Visualisierungen zu Einsteins Relativitätstheorie überzeugte, mit einem multimedialen Vortrag zur Quantenphysik die Reihe der Vorträge zum modernen physikalischen Weltbild abschließen.

Dietmar Herdt - Fachbereich Physik

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Songtext zu "Hart am kosmischen Wind"

Hart am kosmischen Wind Text & Musik: NBS

1. In einer Nuss-Schale hart am kosmischen Wind
hören wir die Signale: Unsere Zeit beginnt!
Aus einem Kern, heiß und dicht,
entstehen Räume und Licht —
wenn die erste Morgenstunde für uns schlägt.

Die Freiheit, die wir meinen, ist wie ein Diamant
in einem Meer von Sternenstaub und Sand. —
Vielen scheint sie nur ein Traum, der diese Nacht nicht übersteht,
und wie bunter Schaum, eh der Morgen kommt, vergeht.

2. All deine Gedanken durchfliegen Raum und Zeit,
doch leben wir hier in Schranken und jeder Schritt ist zu weit.
Hast du für dich die Wahl,
setz nicht nur auf eine Zahl,
und sieh die Wege, die noch offen für dich sind.

Geh du mit denen, die weit kamen und die der Wind immer weiter treibt,
auch wenn hier von deinem Namen nicht viel bleibt.
Du bist stärker, wenn du weißt, was deine kleine Welt
im Innersten für dich zusammenhält.

3. In Licht- und Schattenjahren, wenn wir angekommen sind,
werden wir erst erfahren, ob die Richtung stimmt.
Die Angst, die dir den Wind
aus deinen Segeln nimmt,
ist eine Macht, die auch meinen Kurs oft falsch bestimmt.

Doch haben wir die Angst im Griff, dann werden wir den Sturm bestehn,
und unser kleines Schiff wird nicht untergehn.

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