„Außenseiter in der Wissenschaft“
18. Hochschultag am Montag, 11. Mai 2015, 18:30 Uhr, Kulturhalle Rödermark / Ober-Roden
mit Prof. Dr. Franz M. Wuketits, Universität Wien
Am 11.5.2015 (18:30 Uhr) findet in Zusammenarbeit mit der Stadt Rödermark der 18. Rödermärker Hochschultag der Nell-Breuning-Schule statt. Referent des Abends wird Prof. Dr. Franz M. Wuketits von der Universität Wien sein. Prof. Wuketits, der sowohl Philosophie als auch Biologie (Zoologie und Paläontologie) studiert hat, gehört zu den bedeutendsten Wissenschaftstheoretikern weit über den deutschsprachigen Raum hinaus. Er verbindet die Biowissenschaften, insbesondere die Soziobiologie und Evolutionstheorie, mit der Erkenntnistheorie, Anthropologie und Kulturphilosophie. Prof. Wuketits ist im Vorstand des Konrad-Lorenz-Instituts für Evolutions- und Kognitionsforschung und wissenschaftlicher Beirat zahlreicher anderer Institute und Gesellschaften wie der Freien Akademie Berlin oder der Giordano-Bruno-Stiftung. Unter den mehr als 500 Veröffentlichungen finden sich 42 (!) Monographien und 15 Sammelbände, die er als Herausgeber verantwortet. Prof. Wuketits hat nicht nur zur Evolution, zu Darwin oder Konrad Lorenz, veröffentlicht, sondern auch zum ‚freien Willen‘, zur Öko- und Bioethik, zu Atheismus, zur menschlichen ‚Unvernunft‘ und ‚Feigheit‘ (wobei er erstere lakonisch und nüchtern beschreibt, letztere aber lobt), zum ‚Bösen‘ in der Welt, zu Affen und zum Verhältnis von ‚Schwein und Mensch‘. Wenn es um die Bewertung der Stellung (und des Verhaltens) des Menschen in der Evolution oder Schöpfung und der ethischen Konsequenzen, die daraus zu ziehen wären, geht, ist Wuketits die zentrale Autorität in Europa. (Seine Texte sind etwa auch Gegenstand von Abiturprüfungen und finden sich in Schulbüchern zur Ethik wieder.)
Prof. Wuketits wird sich am 11. Mai einem wissenschaftshistorischen Thema zuwenden. Das Thema des Abends wird „Außenseiter in der Wissenschaft“ sein. Dabei erinnert Wuketits keineswegs nur an vermeintliche Spinner und Dilettanten, an Grenzgänger, Querdenker und ideologisch Unbequeme wie Konrad Gesner (1516-1565), Giordano Bruno (1548-1600), Alexander von Humboldt (1769-1859), Pjotr (Peter) Krotopkin (1842-1921) oder Erwin Chargaff (1905-2002), um nur wenige beispielhaft zu nennen. Wuketits geht es nicht zuletzt auch um eine Kritik des Wissenschaftsbetriebs und die Frage, was denn die Wissenschaft vorantreibt.
Diejenigen, die ihr längerfristig wertvolle – zum Teil revolutionäre – Impulse und Einsichten geben konnten, gehörten nämlich oft gerade nicht zum anerkannten mainstream. Vielmehr wurden sie vom etablierten Wissenschaftsbetrieb (oder von denen, die die Hegemonie über das wissenschaftliche Denken beanspruchten) gerne ausgeschlossen, ignoriert, verlacht oder gar gefoltert und umgebracht. Produktive Phantasie, Geistesblitze und eine Portion Anarchismus, Leidenschaft und Träumereien erweisen sich als produktiver, als eine bürokratische Wissenschaftsplanung wahrhaben will. Genie und Wahnsinn liegen manchmal (wie bei dem britischen Privatgelehrten Cavendish (1731-1810)) eben doch nicht so weit voneinander. Diese Wissenschaftler fragten nach dem Anderen, nach dem was die Norm und Konvention überschreitet („Könnte es nicht auch ganz anders sein?“). Entscheidend ist dabei offenbar das Grenzgängertum, modern gesprochen, Interdisziplinarität, fächerverbindendes oder fächerübergreifendes Arbeiten. Erwin Schrödinger wäre nicht zur Ikone sowohl der Molekularbiologie als auch der Teilchenphysik geworden, hätte man ihn genötigt ‚bei seinen Leisten zu bleiben‘.
Der Vortrag wirft selbstverständlich auch Fragen zur pädagogischen Arbeit in unseren Schulen und Universitäten auf. Wird eine zunehmende Bürokratisierung, Normierung und Methodisierung von Unterricht und Lehre wirklich auch noch in Zukunft Raum für diejenigen bieten, die sich dem Anpassungsdruck nicht fügen wollen, für kreative Spinner und Dilettanten? Interessantes Wissen und außergewöhnlicher Wissenserwerb geschehen nicht linear und auch nicht unbedingt curricular, sondern sporadisch, mäandernd und abseits von eingefahrenen Wegen.
(Prof. Dr. Philipp Wolf)