„Überzeugt sein von Dingen, die man nicht sieht? Christlicher Glaube und naturwissenschaftliches Weltbild.“
16. Hochschultag am 17. Juni 2013, 18:30 Uhr
mit Prof. Dr. Schockenhoff, Universität Freiburg
Am 17. 6. 2013 fand in Zusammenarbeit mit der Stadt Rödermark der 16. Rödermärker Hochschultag statt. Geladen war Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff von der Universität Freiburg mit einem Vortrag zum Thema „Überzeugt sein von Dingen, die man nicht sieht? Christlicher Glaube und naturwissenschaftliches Weltbild“.
Prof. Schockenhoff ging es nicht darum den christlichen Glauben oder die Existenz Gottes positiv zu beweisen, wie man vielleicht hätte erwarten können. Das Grundanliegen seiner differenzierten und sehr eingängigen Ausführungen war nicht mehr und nicht weniger als die Begründung menschlicher Subjektivität und mithin des christlichen Glaubens ex negativo. So begann er seine Ausführungen mit einem kurzen Rückblick auf die Entmachtung oder ‚Demütigung‘ des Subjekts durch die Kosmologie Galileos, die Evolutionstheorie Darwins und die Psychoanalyse Freuds. Danach bildet der Mensch weder das Zentrum des Kosmos mehr, noch ist er die Krönung und das Ziel der Schöpfung, noch ist er ‚Herr im eigenen Hause‘. Auch wenn man diese wissenschaftlichen Theorien heute kaum mehr in Zweifel ziehen kann, so heißt das noch lange nicht, dass in der Konsequenz die Annahme der menschlichen Freiheit und Würde aufgegeben werden müsste. In einer einleuchtenden Auseinandersetzung mit den Neurowissenschaften, der evolutionären Erkenntnistheorie und der synthetischen Biologie konnte Prof. Schockenhoff deutlich machen, dass Menschen auf ein ihnen Vorgängiges ebenso wie auf ihre Subjektivität unhintergehbar verwiesen bleiben. Menschen können schon deshalb nie durch ihre Gene oder ihre Neuronen völlig determiniert sein, weil sie sich immer auch im Raum der Gründe bewegen. Wissenschaftler, auch naturalistische Neurowissenschaftler, können nie die Sache oder Ursache selbst geltend machen, sie müssen argumentieren und überzeugen. Sie können darüber hinaus die innere Handlungsperspektive nicht einfach durch eine äußere Beobachterperspektive eliminieren. Sie können, mit anderen Worten, nicht hinter ihre eigenen Voraussetzungen des Bewusstseins zurück. Auch die synthetische Biologie vermag keinen absoluten Anfang zu markieren, sie rekombiniert lediglich Element von Genen, schafft aber kein neues Leben. So konnte Prof. Schockenhoff gleichsam jenen Freiraum kritisch eröffnen, in dem sich die Möglichkeit Gottes als Schöpfer begründen lässt. Letzterer kann nämlich nicht Gegenstand eines funktionalistischen, kausalen und endlichen Weltbildes sein. Er entzieht sich der Ursache-Wirkungserklärung und deshalb auch der äußeren Beobachterperspektive. Erst durch und in einer verstehenden, inneren Perspektive erschließt sich dem Subjekt – in der Teilnahme – der Sinn von Existenz, dass nämlich alles auf Gott bezogen ist. Gott schafft die Welt, damit sie sich selbst entwickelt. Zugleich hat er sie nicht in, sondern mit der Zeit geschaffen. Alles bleibt in ihm aufgehoben. Darauf gründet das Urvertrauen des Christen.
So kann es schließlich auch keine Widersprüchlichkeit zwischen den Naturwissenschaften und der Theologie geben. Die Theologie kann nur sagen, warum etwas ist und nicht, wie etwas ist.
In der anschließenden, sehr engagiert geführten Diskussion ließ sich Prof. Schockenhoff weder auf eine kosmologische noch erkenntnistheoretische Verortung Gottes festlegen. Nicht nur für diese konsequente Haltung, sondern auch für die Überzeugungskraft, mit der er die Bedeutung des christlichen Glaubens als Urvertrauen darlegen konnte, wurde ihm lebhafter und anhaltender Beifall zuteil. Wir dürfen diesen außerordentlich gut besuchten Vortragsabend als besonderen Erfolg in einer mittlerweile sehr reichen Tradition von Hochschultagen verbuchen.
(Prof. Dr. Philipp Wolf)