Nell-Breuning-Symposium

10. Rödermärker Hochschultag der NBS

am 7. Dezember 2009, Kulturhalle Ober-Roden

Thema
„Das Large Hardron Collider Projekt: Vorstoß zum Beginn des Universums“
Referent
Prof. Dr. Siegfried Bethke, Max-Planck-Institut für Physik, München

„Let's go for a bigger bang!“ — Mit einem selbst geschriebenen Wissenschaftssong über die „Weltmaschine“ eröffnete Sängerin Verena Müller (Leistungskurs Physik 13) in der voll besetzten Kulturhalle einen hochaktuellen Vortrag über den „Large Hadron Collider“ (LHC), den spektakulären neuen Teilchenbeschleuniger am Europäischen Teilchenforschungszentrum CERN, der am 20. November 2009 nach längerer Reparaturdauer wieder in Betrieb genommen wurde.

Verena Müller (LK Physik 13)

Die Veranstalter der Rödermärker Hochschultage hatten mit Prof. Dr. Siegfried Bethke einen der leitenden Wissenschaftler am CERN eingeladen, der aus erster Hand über die Forschungsziele und den Status der Experimente des LHC-Projekts berichten sollte.

Nach einem Grußwort von Bürgermeister Roland Kern erläuterte Dr. Dietmar Herdt, Physiklehrer und Mitorganisator der Rödermärker Hochschultage, die laufende Vortragsreihe zum modernen physikalischen Weltbild der Physik. Bislang ist es den theoretischen Physikern nicht gelungen, Quantenphysik und Allgemeine Relativitätstheorie, die beiden tragenden Säulen der modernen Physik, miteinander in einer Art „Weltformel“ zu verbinden. Die spekulative Stringtheorie gilt aber als ein möglicher Kandidat für die „Große Vereinigung“ aller vier Naturkräfte zu einer einzigen Urkraft, wie sie zum Zeitpunkt des Urknalls angenommen wird.

Prof. Dr. Bethke

In seinem um allgemeine Verständlichkeit bemühten Vortrag gab Prof. Bethke dem Publikum tiefe Einblicke in den hochkomplexen Aufbau und die Funktionsweise des 27 km langen unterirdischen LHC-Speicherrings, in dem Protonen gegenläufig auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und im Innern riesiger Detektoren zu Frontalzusammenstößen gebracht werden. Damit können in kleinsten Raumbereichen so extrem hohe Energiedichten erzielt werden, wie sie nur wenige Billionstel Sekunden nach dem Urknall existierten.

ATLAS ist der größte von insgesamt vie Teilchendetektoren am LHC. Von ihm erwarten die Wissenschaftler den Nachweis des bislang nur hypothetischen Higgs-Teilchens, das für die Masse der Elementarteilchen verantwortlich sein soll. Bei mehr als einer halben Milliarde Proton-Proton-Kollisionen pro Sekunde entsteht eine gigantische Datenflut, für deren Auswertung eigens ein neues weltweites Computernetzwerk (Grid Data) installiert werden musste. Die Fahndung nach dem Higgs-Teilchen gleiche zwar der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen, doch zeigte sich Prof. Bethke zuversichtlich, dass man dieses Teilchen, sofern es existiert, in den kommenden Jahren am LHC finden werde.

Zum Forschungsprogramm des LHC gehört auch die Suche nach dem noch unbekannten Aufbau der Dunklen Masse und der mysteriösen Dunklen Energie, die beide insgesamt 96 % unseres Universums ausmachen. Während die Dunkle Masse mit ihrer anziehenden Gravitation für den inneren Zusammenhalt der Galaxien sorgt, ist die Wirkung der Dunklen Energie eine Art Antigravitation, durch die sich unser Universum auch 13,7 Milliarden Jahre nach dem Urknall noch immer beschleunigt ausdehnt.

Die Wissenschaftler vermuten, dass sich die Dunkle Masse aus supersymmetrischen Teilchen („SUSY“) zusammensetzen könnte. Sollte mit dem ATLAS-Detektor tatsächlich das leichteste dieser SUSY-Teilchen nachgewiesen werden, wäre das ein Durchbruch für die Teilchenphysik und die Kosmologie.

Prof. Dr. Bethke

Auch die Entdeckung zusätzlicher Raumdimensionen wäre eine Sensation und ein großer Schritt bei der Suche nach einer „Weltformel“. Sollten diese räumlichen Extradimensionen, wie sie von der Stringtheorie postuliert werden, existieren, könnten bei den hochenergetischen Teilchenkollisionen am LHC Schwarze Löcher im Miniformat entstehen, die im Rahmen der bisher gültigen Physik allerdings ausgeschlossen sind. Prof. Bethke konnte überzeugend darlegen, dass entgegen anderslautender Schlagzeilen in der Sensationspresse von solchen schwarzen Minilöchern keinerlei Gefahr für uns ausgehen würde.

Prof. Dr. Bethke, die Schulleitung und interessierte Zuhörer

Der LHC wird seine volle Leistung erst ab 2012 erreichen. Das gesamte Forschungsprogramm des knapp vier Milliarden teuren Mega-Teilchenbeschleunigers ist auf 15 bis 20 Jahre ausgelegt. Schnelle Erfolge sind eher nicht zu erwarten.

Mit lang anhaltendem Applaus bedankten sich die etwa 350 Zuhörer für den informativen und faszinierenden Vortrag von Prof. Bethke. Auch bei der anschließenden Diskussion zeigte sich das große Interesse für die Suche nach den fundamentalen Bausteinen und Kräften des Universums.

Die Rödermärker Hochschultage sind eine Veranstaltung des Oswald-von-Nell-Breuning-Schule und der Stadt Rödermark.

(D. Herdt)


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