Nell-Breuning-Symposium

„Der Stern von Bethlehem - Vision oder Realität?“

15. Rödermärker Hochschultag am 10. Dezember 2012
mit Prof. Dr. Wolfram Winnenburg, Universität Siegen

Als akademisches Highlight zum Abschluss des Kalenderjahres 2012 präsentierten die Veranstalter der Rödermärker Hochschultage den Weihnachtsvortrag des Astrophysikers Prof. Dr. Wolfram Winnenburg zum Thema „Der Stern von Bethlehem — Vision oder Realität?“.

Bürgermeister Roland Kern zitierte zur Begrüßung der etwa 350 Zuhörer aus der Weihnachtsgeschichte im Matthäus-Evangelium. Darin wird ein geheimnisvoller Stern beschrieben, der den Weisen aus dem Morgenland den Weg nach Bethlehem zur Geburtsstätte Jesu gewiesen haben soll.

Dr. Dietmar Herdt, der Vertreter des Fachbereichs Physik, würdigte in seiner Anmoderation das umfassende Tätigkeitsprofil von Prof. Winnenburg. Als Astrophysiker an der Universität Siegen war er viele Jahre auch Direktor der dortigen Sternwarte. Neben seinen akademischen Verdiensten hat er mit mehr als zweitausend Vorträgen in vier Jahrzehnten breiten Bevölkerungsschichten die Astrophysik und die moderne Physik nähergebracht. Beim 14. Rödermärker Hochschultag im November 2011 begeisterte er mit einer multimedialen Präsentation zum Thema „Heißer Urknall und kalte Hintergrundstrahlung — Astronomen entschlüsseln den Bauplan der Welt“ die Besucher in der voll besetzten Kulturhalle.


Mit seinem allgemein verständlichen Weihnachtsvortrag führte Prof. Winnenburg sein Publikum auf einen spannenden Grenzgang zwischen moderner Astronomie und Theologie. Zur Freude der Besucher verzichtete er dabei auf komplizierte mathematische Formeln.

Sterne sind Forschungsobjekte von Astronomen. Es ist daher naheliegend, neben der religiösen Bedeutung des Weihnachtssterns auch astronomische Zusammenhänge und den Sternenhimmel zum fraglichen Zeitpunkt von Jesu Geburt zu untersuchen, den Prof. Winnenburg nach einer detaillierten historischen Analyse auf Anfang Dezember des Jahres 7 vor unserer Zeitrechnung datierte.

Im Verlauf von zweitausend Jahren gab es verschiedene astronomische Erklärungsansätze, bei denen der Stern von Bethlehem als Komet, Nova, Supernova oder als eine besondere Planetenkonstellation dargestellt wurde.

Die drei erstgenannten Erklärungen konnten nach den schlüssigen Ausführungen Winnenburgs ausgeschlossen werden:

Ein Komet war im fraglichen Geburtsjahr nicht zu beobachten und wäre astrologisch wohl als Unheilsbote für Kriege oder Seuchen verstanden worden. Nova und Supernova scheiden ebenfalls aus, da z.B. von chinesischen Astronomen keinerlei Beobachtungen aus dieser Zeit überliefert sind. Zudem wären die Überreste einer Supernova noch heute nachweisbar.

Johannes Kepler, der im Jahre 1603 eine seltene Konjunktion von Jupiter und Saturn beobachtet hatte, rechnete die Sternenkarte weit in die Vergangenheit zurück und kam zu dem Ergebnis, dass im wahrscheinlichen Geburtsjahr Jesu, also 7 vor unserer Zeitrechnung, eine dreimalige Konjunktion von Jupiter und Saturn als reale und spektakuläre Himmelserscheinung vorkam. Die Weisen aus dem Morgenland waren vermutlich Priester und Astronomen am Hofe des Religionsreformers Zarathustra in Babylon. Sie waren Sternbeobachter und Sterndeuter. Jupiter galt als Königsstern, Saturn stand für die alten israelischen Führer. Die seltene Planentenkonjunktion war im Sternbild der Fische, einem Symbol für das Westland Palästina, zu beobachten und konnte astrologisch als Geburtsanzeige für einen neuen König der Juden verstanden werden.

Babylonische Keilschriften belegen, dass die astronomischen Astrologen in Babylon über genaue Kenntnisse und Vorausberechnungen solcher Planentenkonjunktionen verfügten, die es den Weisen möglich machten, die ca. 1000 km lange Reise mit Kamelen so rechtzeitig anzutreten, dass sie Ende November in Jerusalem ankamen.

Am 4. Dezember 7 vor unserer Zeitrechnung, gegen 20:30 Uhr stand die Planetenkonjunktion von Jerusalem aus gesehen genau über Bethlehem und wies exakt den Weg auf der Straße, die in Nord-Süd-Richtung nach Bethlehem führte.

Am Ende des Vortrags blieb die Erkenntnis, dass es sich bei dem Stern von Bethlehem mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine reale Erscheinung am Sternenhimmel handelte und nicht nur um einen mystischen religiösen Leitstern.

Als Astrophysiker lies Prof. Winnenburg offen, ob sich hinter der zeitlichen Koinzidenz von Weihnachtsstern und der Geburt Jesu ein innerer, möglicherweise sogar kausaler Zusammenhang verbergen könnte. Diese tiefergehende Frage berühre das Geheimnis des christlichen Glaubens.

Bei der anschließenden Diskussionsrunde mit dem Publikum betonte Dietmar Herdt, der Mitorganisator und Moderator dieses Hochschultages, dass man aus der Realität des Weihnachtssterns nicht vorschnell auf den realen Anspruch anderer Schlüsselereignisse extrapolieren dürfe, von denen im Alten und Neuen Testament geschrieben steht. Dazu zähle die Schöpfungsgeschichte, die weder mit der heute vorherrschenden Urknalltheorie noch mit der Evolutionstheorie zu vereinbaren sei. Ähnliches gelte für die Wundertätigkeit Jesu, wie z.B. die Auferstehung und die physische Himmelfahrt.

Über die Astronomie hinaus, erkennen gläubige Christen in dem Stern von Bethlehem eine spirituelle Dimension, die naturwissenschaftlich nicht weiter hinterfragt werden kann.


Als besonderer Gast des Hochschultages wurde Prof. Dr. Dr. Hartmut Wiesner von der Universität München begrüßt. Er gilt als der Mentor des Profils Naturphilosophie, dessen überregional erfolgreiche Präsentationen sich an den didaktischen und wissenschaftsphilosophischen Pionierleistungen Wiesners zum Unterricht in moderner Physik orientieren. Im Vorfeld des Hochschultages hatten die SchülerInnen des Profils Naturphilosophie die Schulgemeinde mit ihrer aktuellen multimedialen Präsentation auf den Themenkreis „Science and Religion — Wissen und Glauben“ vorbereitet. Die Präsentation soll auch beim Schülerforum 2013 des Vereins Deutscher Ingenieure in der Hochschule Frankfurt vorgestellt werden.

Die Rödermärker Hochschultage sind eine Veranstaltungsreihe der Stadt Rödermark und der Nell-Breuning-Schule. Sie sollen den Dialog zwischen Schule, Hochschule und einer interessierten Öffentlichkeit fördern. Sponsor ist die Sparkasse Dieburg.

Der Vortrag von Prof. Winnenburg setzte die Reihe der naturphilosophisch orientierten Hochschultage fort, bei denen renommierte Physiker über den Stand ihrer Wissenschaft berichten und mit dem Blick für das Ganze interdisziplinäre Bezüge zur Kosmologie, Philosophie und Theologie herstellen.

Für 2013 ist ein weiterer Hochschultag zum Themenkreis Naturwissenschaften und Religion mit einem Referenten aus dem Bereich Theologie/Philosophie geplant.

(D. Herdt, NBS — FB Physik/Profil Naturphilosophie)


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